Auch wir schweigen nicht

Wir stehen vor großen Herausforderungen: Die Verteidigung der Demokratie und das Aufstehen gegen Antisemitismus und Rassismus steht an vorderster Stelle.

Redebeitrag von Günter Pabst (Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit – CJZ – Main-Taunus) auf der Demonstration gegen den Rechtsruck am 27.01.2024 in Hofheim

Liebe Freundinnen und Freunde der Demokratie, liebe Bürgerinnen und Bürger,

es ist sehr erfreulich, dass nach der großen Kundgebung in Frankfurt heute in Hofheim und in vielen anderen Städten wieder Menschen gegen die AFD, gegen Antisemitismus und Rassismus auf die Straße gehen. In Hochheim findet in einer Stunde eine Gedenkveranstaltung zum 27.Januar statt. 

Der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust ist ein wichtiger Tag in unserer Erinnerungskultur. Seit 1996 ist der 27. Januar auch nationaler Gedenktag. Wir erinnern und gedenken der über sechs Millionen Jüdinnen und Juden, der Polen, der Sinti und Roma und der vielen anderen Opfer, die in der Zeit des Nationalsozialismus vertrieben, gedemütigt und ermordet wurden. Heute vor 79 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit.

Hier, ganz in der Nähe, erinnert eine Gedenktafel an der ehemaligen Synagoge an die Hofheimer Jüdinnen und Juden, die aus der Mitte der Gesellschaft  herausgerissen, nach Frankfurt zur Großmarkthalle und von dort in den Tod  deportiert wurden. Es war die Nachbarin, es war der Nachbar, die man auf  einmal nicht mehr kannte. Nicht wenige bereicherten sich am Eigentum von  Jüdinnen und Juden.

Im Nationalsozialismus begann der Terror und die Vernichtung von Menschen  mit der Ausgrenzung von Menschen. Es begann mit Hasstiraden gegenüber  jüdischen Mitbürgern, kritischen Schriftstellern, Künstlern und  Andersdenkenden. Zu Recht wird daher das Geheimtreffen von Potsdam  angeprangert, bei dem sich Nazis, Rechtsextremisten, Identitäre und AFD-Personen unter dem Motto „Remigration“ die systematische Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland diskutiert und zum Ziel ihrer Politik erklärt haben.

Von Martin Niemöller (evangelischer Theologe, als Mitglied der Bekennenden Kirche im Widerstand zum Hitler-Regime, Häftling im KZ Sachsenhausen) stammen folgende Zeilen:

 „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Jude.

Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

In den vergangenen Wochen sind in der gesamten Bundesrepublik, auch im Osten unseres Landes, Tausende, Zehntausende auf die Straße gegangen. Sie  haben nicht mehr geschwiegen. Auch wir schweigen nicht. 

Völkisches Gedankengut ist offensichtlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dies scheint jetzt anders zu werden. Ich hoffe, dass diese Demonstrationen, dieses Aufbegehren eine Langzeitwirkung gegen Antisemitismus und Rassismus entfaltet. Wir dürfen nicht nachlassen für die demokratischen Werte einzustehen, wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen, sondern in unserem Umfeld, in den einzelnen Orten weitermachen.

Viele Städte sind dazu übergegangen, an den Ortseingangsschildern den Satz „Stadt gegen Rassismus“ anzubringen. So auch in meiner Heimatstadt Schwalbach. Jedes Dorf, jede Stadt sollte sich dies zu eigen machen. 

Unabhängig von unserer politischen Einstellung, unabhängig von der parteipolitischen Orientierung, basierend auf dem Wert der „Menschenwürde“ müssen wir gegen die Feinde der Demokratie, gegen völkisches Denken, zusammenstehen. Im Alltag, im Beruf, in der Kneipe, in den Vereinen, wo auch immer, treten wir ein für Demokratie, kulturelle Vielfalt und Freiheit.

Wir stehen vor großen Herausforderungen:

Die Verteidigung der Demokratie und das Aufstehen gegen Antisemitismus und Rassismus steht an vorderster Stelle.

Vielen Dank.